„Die Farbe des Schmerzes“
Bei „Die Farbe des Schmerzes“ (The colour of pain) bzw. „Den Schmerz verfolgen“ (Chasing the pain) handelt es sich um eine sanfte und schonende Methode aus dem breiten Repertoire der Klopfakupressur (EFT/Tapping). Neben dem „systemischen Klopfen“ meine persönliche „Lieblingsmethode“. Der „Schmerz“ steht dabei symbolisch für die belastende Emotion (Angst, Trauer, Wut, Verzweiflung uvm.) zusammenhängend mit dem dazugehörigen Körpergefühl, z.B. dem Kloß im Hals, dem Druck auf der Brust, die Last auf den Schultern, den realen Schmerz (z.B. Kopfschmerz uva). Vorerst ist aber nicht relevant, was diese Emotion, bzw. das Körpergefühl, ausgelöst hat. Oft kommt es während des Klopfen aber zu einem „Aha“-Erlebnis, bei dem die wahren Hintergründe sich zeigen. Wenn es nicht kommt, ist es aber auch o.k. Während die einzelnen Akupressur-Punkte (Akupunktur-/Meridianpunkte) im Gesicht, am Körper (und bei Bedarf auch an den Händen/Fingern) geklopft werden, verbindet der Klient sich mit seinem Thema, sei es mit der belastenden Emotion oder direkt mit dem dazugehörigen Körpergefühl, und beschreibt es bestmöglich. Vorteil daran ist, dass man nicht in die belastende Situation und damit Emotion muss, es reicht in den Körper hineinzuhorchen und die Emotion dort zu lokalisieren. Hierzu ein Beispiel:
Eine Person kommt in die Sitzung mit einem Thema, z.B. einer Angst. Ich bitte sie, mir zu beschreiben was genau sie empfindet, wie groß die Angst ist und frage sie nach dem Belastungswert dieser Emotion, der auf einer Skala von 0 bis 10 festgelegt wird. 0 bedeutet, es gibt keine Emotion, 10 ist die höchstmögliche Anspannung. Ich bitte sie, in die Emotion hinein zu spüren und diese neutral, neugierig, interessiert zu beobachten und sie nach Lokalität, Qualität, Quantität, Farbe, Größe etc. zu beschreiben. In der Regel sehen die Klienten etwas „Materielles“, eine kantige Scheibe ein dunkles Loch, einen grauen Nebel, einen eckigen Klotz… Jetzt frage ich detailliert nach dem Aussehen des „Gegenstandes“. Welche Farbe hat er, welche Temperatur, welche Form, welche Beschaffenheit, Ist er eher weich oder hart, kantig oder rund, dunkel oder hell, in Bewegung oder statisch…? Je mehr und je länger der Klient/in hineinspürt und dabei klopft, desto mehr verändert sich das Bild und damit auch das Gefühl. Oft werden innerhalb weniger Minuten die Farben heller und auch blasser, Form und Beschaffenheit werden weicher, runder, durchlässiger. Das Bild verändert sich. Aus einem dunklen Loch kann dann ein bunter Schmetterling werden, der nicht nur seine Form, sondern auch die Position verändert hat. Die belastende Emotion ist verflogen und der Belastungswert ist auf 0 gesunken oder hat sich stark reduziert. Verstärkend kann man Fragen einstreuen wie: „Was genau stört, nervt, produziert oder provoziert dieses Bild? Wann hast du dieses Problem das ersten Mal bemerkt? Was war (noch) zu dieser Zeit? Wenn das Gefühl/das Bild eine Stimme hätte, was würde sie sagen? Was wäre, wenn du dieses Problem nicht hättest?
Ein kurzes Praxisbeispiel zu einer solchen Klopfsession: Eine Klientin ist von ihrem Partner verlassen worden und ist unglücklich mit dieser Situation, kann keine Freude mehr empfinden, kann sich nicht lösen, es nicht akzeptieren. Ich lasse sie beschreiben, was genau sie empfindet, und frage auch, welche Emotion sie identifizieren kann. Sollte sie es nicht definieren können oder sich nicht damit auseinandersetzen wollen, lasse ich direkt das entsprechende Körpergefühl beschreiben. Die Klientin kann das Gefühl allerding als „Traurigkeit“ identifizieren. Den Belastungswert stuft sie bei 8 ein. Ich bitte sie, mir zu beschreiben, wo genau sie diese Emotion in ihrem Körper spürt. Sie beschreibt sie wie einen Wirbel, der sich auf Höhe ihres Solarplexus befindet. Sie spürt weiterhin in diesen „Wirbel“ hinein, während ich konkrete Fragen dazu stelle, und beschreibt ihn als grau schattiert, hinten schmaler als vorne, leicht warm. Je länger sie hineinspürt, diesen „Wirbel“ beschreibt und sich neutral und liebevoll auf dieses Gefühl einlässt, desto mehr verändert es sich, wird heller, bunter, kleiner und verändert seine Form und auch Position, letztlich „verwandelt“ der Wirbel sich in eine Art Brosche, die sich Richtung Brust (nahe des Herzens) bewegt und die sie als etwas sehr Schönes und Angenehmes empfindet. Sogar als etwas, das sie beschützen möchte. Die Traurigkeit ist verflogen. Der Belastungswert ist bei 0. Diese Sequenz hat ca. 10-15 Minuten gedauert.
Es scheint, als würde jede Emotion feinstofflich in unserem Körper „abgelegt“. Wir können dies nachvollziehen, indem wir uns alte, belastende Situationen wieder aufrufen. Wenn ich eine unbearbeitete Emotion habe, wie z.B. eine alte Trauer über einen Verlust, und denke an die entsprechende Situation in der dieses Gefühl auftauchte, kann ich es immer und immer wieder empfinden. Die Emotion hat sich in gewisser Art und Weise „materialisiert“. Auch psychosomatische Erkrankungen finden hier ihren Ausdruck; „Mir geht etwas an die Nieren“, „mir lastet etwas auf meinen Schultern“, „mir liegt etwas schwer im Magen“ etc.
Es gibt diverse Theorien und Untersuchungen zur Wirkung der Klopfakupressur. Ursprünglich gab es den energetischen Ansatz, dass Blockaden auf den Energiebahnen, die durch eine belastende Emotion entstanden sind, nach der Meridianlehre (statt durch Stechen mit Nadeln) durch das Klopfen aufgelöst werden (u.a. Callahan, Gallo, Craig). Nach Feinstein (2005) gibt es die Theorie, dass elektrochemische Veränderungen der Gehirnströme stattfinden, die durch Stimulation der Klopfpunkte ausgelöst werden. Allein die Vorstellung einer (belastenden) Situation, die eine emotionale Reaktion hervorruft, verursacht neurologische Veränderungen. Abhängig davon was passiert während die Erinnerung und die dazugehörige Emotion „aktiv“ sind, können neuronale Verbindungen zwischen dem Denkinhalt und der Emotion verändert, reduziert oder erhöht werden (neuronale Plastizität). Es bilden sich neuronale Verbindungen zwischen einer Situation und der Reaktion. In einer späteren Studie (2008) geht er von einer Verminderung von Übererregung durch Signalsendung an das Gehirn aus. Auch Studien von Andrade, Bohne der Eschenröder sind in diesem Zusammenhang interessant.
In der westlichen Medizin sind wir eher geneigt, unliebsame Erscheinungen zu verdrängen, wegzuschneiden, zu betäuben, Nicht-haben-zu-wollen. Aus meiner Erfahrung ist der bessere Weg, sie liebevoll anzunehmen, wie beispielsweise mit dieser Methode. Wenn die belastende Emotion angenommen/vielleicht sogar willkommen geheißen wird, kann sie sich transformieren und/oder auflösen. Die Methode ist sanft und einfach anzuwenden. Auch in Eigenregie. Wir sollten mehr Zeit für unsere Gefühle investieren, diese ernst nehmen, sie integrieren und zu ihnen ein gutes Verhältnis aufbauen. Aus meiner persönlichen Sicht die sinnvollste Lösung, um (alte) Wunden zu heilen.
Stefanie Melz (M.A., HP Psych), Therapie und Training für Selbstsicherheit, Münster